Türkei: Sondergefängnis für Homosexuelle

Valentin Berthoux übersetzt von Sohail Daniel
1 Mars 2015



Das Justizministerium hat bekanntgegeben, dass Ankara den Bau eines Sondergefängnisses nur für Homosexuelle in der Nähe von Izmir plane, der drittgrößten Stadt der Türkei. Diese etwas überraschende Entscheidung soll eine Lösung zu den Diskriminationsproblemen darstellen, die die LGBT in den heutigen türkischen Gefängnissen hinnehmen müssen. Alle festgenommenen und verurteilten LGBT sollen fortan in diesem neuen Gefängnis untergebracht werden.


Fotocredit Anaïs Audibert et Simon Druart
Fotocredit Anaïs Audibert et Simon Druart
Heutzutage gleicht das Leben der LGBT Gefangenen in den türkischen Gefängnissen einem Martyrium. Diese Leute erleiden oft körperliche und psychologische Gewalt sowie ständige Belästigungen von anderen Gefangenen oder von den Gefängniswärtern. Sehr oft landen sie in Schutzzellen nach Erhalt einer von Ärzten oder Psychiatern ausgestelltenen Bescheinigung, die eine mentale oder körperliche Krankheit bestätigt, was diese Leute davor bewahrt, mit den anderen Gefangenen inhaftiert zu sein.

Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte

2012 verurteilte der EGMR die Türkei wegen Diskrimination aufgrund seiner Isolationspolitik der LGBT in den Gefängnissen. Diese Entscheidung zwang den Justizminister dazu, die Problematik ernster zu berücksichtigen. Seine Lösung ist etwas original: der Bau eines Sondergefängnisses nur für Homosexuelle. „Das Argument ist, die LGBT Verurteilten besser zu schützen. Zurzeit beklagen sie sich, dass sie nicht allen Service des Gefängnisses nutzen können, weil sie zu ihrer eigenen Sicherheit von den anderen getrennt sind“, sagte ein Freiwilliger der Zeitung LGBTI News Turkey. Seit seiner Fertigstellung, werden alle in der Türkei inhaftierten LGBT dort untergebracht.

Das „rosa Gefängnis“

Die Entscheidung der Regierung verursachte viel Kritik von den Vereinigungen zur Verteidigung der Rechte von Homosexuellen. Sie bemängeln eine diskriminierende Politik, die das Problem nur verschieben solle. Sie sind gegen eine Trennung der LGBT auf die Gefahr hin, die Diskriminationen immer mehr zu legitimieren und institutionalisieren. „Das zeigt die Unfähigkeit der Regierung, den Kern des Diskriminationsproblems anzugehen. Die Änderung der in der Gesellschaft verbreiteten Homophobie und Transphobie ist schwieriger zu bewerkstelligen als der Bau eines Gefängnisses“ erklärt der Freiwillige von LGBTI News Turkey, namens Zeynep.

Zudem werfen die Vereinigungen viele Probleme auf, die an diesen Inhaftierungen gebunden sind. Die in Izmir inhaftierten LGBT werden in aller Öffentlichkeit geoutet. Heutzutage ist es vielen Homosexuelle lieber, ihre sexuelle Orientierung wegen der noch sehr homophoben Gesellschaft zu verschweigen. Dieses unfreiwillige Coming-Out stellt die Rehabilitationsmöglichkeiten für die Entlassenen aus dem Gefängnis von Izmir in Frage. Für sie wird es schwieriger, eine Arbeit zu finden und in ihr soziales Umfeld und ihr Familienleben zurückzukehren. Die Inhaftierung stellt auch praktische Probleme dar. Die Angehörigen werden gezwungen, nach Izmir zu fahren, um zu Besuch zu kommen. Die LGBT werden nicht mehr von den Gefängnissen in ihrer Nähe profitieren können.

Schlechte Bedingungen der türkischen Gefängnisse und allgemein verbreitete Homophobie

Eigentlich ist der Bau dieses rosa Gefängnisses, die Inhaftierungsbedingungen und die allgemeine Homophobie in der Türkei generell fraglich. Es ist nämlich nicht nur gefängnisintern, sondern auch allgemein in allen Schichten der Gesellschaft die Frage. Ins Gefängnis ist sie durch die prekären materiellen Bedingungen und durch den Bildungsmangel der Wärter gelangt, was die LGBT Problematik noch schlimmer gemacht hat.

Trotzdem interessiert die Nachricht kaum in der Türkei. Die Entscheidung, das Gefängnis zu bauen, wurde in der türkischen Presse wenig kommentiert. Nur einige Gruppen der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes und die Oppositionsmedien haben darüber diskutiert. „Nur LGBT Gruppen und Gruppen zur Verteidigung der Rechte bei den gerichtlichen Instanzen haben es kommentiert. Die Medien, die nicht pro-Regierung eingestellt sind, haben es auch erwähnt. Wir (die Vereinigungen, Anm.d.Red.) tun alles, um die Problematik vorzubringen.“

Grundsätzlich sollte sich die ganze türkische Gesellschaft darauf einigen, über die Fragen zu den LGBT und den Kampf gegen Diskrimination aufzuklären. Von dieser Seite aus betrachtet, scheint es, dass etwas Positives zu erreichen sei, obwohl die Lage sich nur langsam entwickelt. Zeynep bestätigt: „Obwohl Diskriminationen und Mordtaten aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität noch vorkommen, verbessern sich auch einige Punkte. Gerichtsbeschlüsse sind zu LGBT Gunsten erlassen worden und Diskussionen mit Politikern und den Stadtgemeinden werden immer zahlreicher.“ Diese Worte geben Hoffnung für die Zukunft der LGBT in der Türkei des XXI. Jahrhunderts.

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